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KI -10 Tipps für Kanzleien

Pragmatisch. Zeitgerecht. Alltagstauglich.

 

Für diesen Text habe ich zwei Vorträge (bis Ende 2025) gehört, viele Aufsätze gelesen und mit Kanzleiberaterkollegen gesprochen.
Ich bin weder KI-Expertin noch technisch übermäßig kenntnisreich.
Ich verstehe mich daher bei diesem Thema lediglich als Transporteurin fremden Wissens und Übersetzerin in einfache Sprache.

Verbesserungspotenzial ist durch meine (gewollte) Verkürzung von Sachverhalten und durch meine Übersetzung in einfache Sprache jederzeit wahrscheinlich.

KI: Viel Schatten und viel Licht

Cool bleiben. Kritsch schauen. Keinen Hype mitmachen.
Wo Anwälte jetzt aufpassen müssen, um nicht durchzudrehen

Tipp 1: In Umbruchsituationen darf nicht der Bruch regieren.

Immer, wenn Hype draufsteht, ist Gefahr drin.
Egal, was Sie in Ihrer Kanzlei wann und wodurch entscheiden. Wenn es um KI geht, sind traditionelle Werte rund um Autorenschaft (Copyright), Sorgfaltspflicht (z.B. Vieraugenprinzip bei Schriftsätzen) und berufliche Verantwortung (z.B. Reputation durch Qualität) in der Gefahr, umdefiniert und missachtet zu werden.

  • Achtung: Alle Kanzleien, die KI-Systeme verwenden, unterliegen den Bestimmungen und Pflichten der KI-VO.

Kanzleiintern kann es zu Unstimmigkeiten bis zu Kündigungen kommen, wenn die Umstellung bisheriger CRM-Vorgehensweisen, die Veränderung (in-)formeller Hierarchien oder die Vernachlässigung persönlicher Mandanten- und Mitarbeiterkontakte nicht ausreichend kompensiert und – vor allem – kommuniziert werden.

Führungskräfte der Kanzlei sind in der

  • Gefahr, nicht alle mitzunehmen in der Kanzlei
  • Gefahr bei Haftungsfragen
  • Gefahr der Verharmlosung von Fehlern
  • Gefahr der zu schnellen Ablösung bisheriger CRM-Systeme oder Kanzleisoftware
  • Gefahr, Mandanten zu erschrecken
  • Gefahr, zu früh zu investieren
  • Gefahr, zu spät zu investieren

 

Tipp 1: Sichern Sie “altes” Wissen mit neuen Methoden
Wissensmanagement macht Kanzleien über Jahre stark.
Wissen darf auf keinen Fall verloren gehen, wenn ältere Mitarbeiter gehen oder “junge” Methoden kommen. Auch ideologisch motivierte individuelle Hindernisse (“Ich traue diesem machine learning generell nicht”) können für schlechte Laune (oder die Furcht, ersetzt zu werden) im Team sorgen.

Tipp 1a: Verkünden Sie offensiv Ihr neues Geschäftsmodell zum Nutzen der Mandantschaft.
Kanzleistrategie, Kanzleimarketing und (in großen Kanzleien) sogar das business development ändern sich durch den Einsatz von KI-Systemen.
Geschäftsmodell, Honorarstruktur und Gesamtstrategie der Kanzlei sind im Umbruch, sobald Sie mit KI arbeiten. Standardaufgaben juristischer Mitarbeiter sind nun in wenigen Minuten erledigt. Wie soll man das berechnen? Was tun mit den frei gewordenen Ressourcen?

  • Erhöhen Sie die Anzahl Ihrer Mandantenkontakte zu Beratungszwecken (incl. öffentlichem Stundensatz).
  • Erhöhen Sie die Anzahl Ihrer Festpreise für eigene Produkte.
  • Optimieren Sie Ihr Cross Selling.
  • Legen Sie den Fokus auf die Kanzleistrategie.
  • Was ist jetzt Ihr USP? Werden Sie einzigartig unter Ihren Mitbewerbern.

Tipp 2: KI – Slop macht unnötige Arbeit

“Slop” wird mit “Abfall” übersetzt.
Gefakte Bilder, gefälschte Videos und leider auch juristisch falsche Informationen werden mit KI in Massenproduktion erstellt und veröffentlicht. Das ist nicht nur in den sozialen Medien ein Problem.
Mandanten “korrigieren” die Schriftsätze ihres Anwalts durch CHAT GPT basierte “Kenntnisse” und lösen deutlich Mehrarbeit beim Anwalt aus.
Das ist die Techno-Variante jener Schreckensmandanten, der früher bei ihrem Anwalt die “Bildzeitung” zitierten, um 23.000 Euro Abfindung zu kassieren – nach 7 Monaten Betriebszugehörigkeit.

  • Tipp 2: Immer in die schriftliche Honorarvereinbarung, die mündliche Honorarinformation und in die Mandantenleitlinien aufnehmen: Das (deutlich erhöhte) Stundenhonorar für die Beschäftigung mit KI basierten Schriftsatz- oder Strategie-“Korrekturen” durch den Mandanten.
  • Doch auch in eigenen Nutzungen durch den Anwalt sind Verzerrungen (Bias) verborgen: Kontextfehler (“Contextual Error”) verfälschen Antworten und führen zu deutlich Mehrarbeit. Sie können das durch gewissenhaftes “Prompten” (mehr dazu in Punkt 10) größtenteils vermeiden.

Tipp 3: KI ist ein Statistik – Papagei. Trainieren Sie ihn.

Die künstliche Intelligenz ist nicht intelligent (Fachleute meiden deshalb dieses Schlagwort zugunsten von “Multidimensionale Wahrscheinlichkeitsmatrix”). 
Im Gegenteil: KI plappert alles nach und verbindet alles mit allem, was sie kriegen kann. Sie basiert nicht auf Faktenwissen, sondern auf Plausibilität. Sie “erfindet” Urteile, zitiert nicht exisitierende Gesetzestexte und konstruiert Sachverhalte.
Sie halluziniert. Und das ist nicht ihr Fehler, sondern ihre nicht änderbare Eigenschaft.
Sie kann nichts, und sie weiß nichts selbst.

Sie ermittelt lediglich die statistisch wahrscheinlichste Anwort unter allen Eckdaten, auf die sie zugreift.
Je seriöser die Eckdaten, desto seriöser die Antwort. 

      • Tipp 3: Trainieren Sie deshalb Ihre persönliche KI – Anwendung mit allen zutreffenden Daten, Schriftsätzen und strategischen / taktischen Erwägungen, die Sie bekommen können – am besten in nur einem kleinen, gut skalierbaren Teil Ihres Rechtsgebiets.
      • Trainingsbeispiel: Geben Sie 1000 Ihrer eigenen Schriftsätze zu demselben Thema in die Anwendung ein und fordern das Programm auf: “Ermittle die fünf wichtigsten Argumente für eine X unter besonderer Berücksichtigung der Y.” Dasselbe machen Sie mit dem gegnerischen Schriftsätzen zu derselben Sache. Und wieder dasselbe mit den Urteilen zu dieser Sache.

Tipp 4: Kontrolle ist Trumpf: Der “human in the loop”

Ki generierte Ergebnisse sind ausschließlich statistik- und nicht wissensbasiert. Sie sind also nicht mehr als Vorschläge bzw. Entwürfe.
Erst durch „Human-in-the-Loop“ (HITL ) sind Genauigkeit, Sicherheit, Verantwortlichkeit und eine ethisch fundierte Entscheidungsfindung auf der Grundlage von KI Ergebnissen denkbar.
Selbst hochentwickelte sog. deep learning Modelle können Mehrdeutigkeiten, Verzerrungen (Bias) oder sogenannte „Edge Cases“ (Ausnahmefälle, die von Trainingsdaten abweichen) weder verhindern noch als solche kennzeichnen.

“Knowledge Cut-off Date”
Das “Knowledge Cut-off Date” wird oft von Usern unterschätzt. Es besagt, dass ein KI System erst exakt ab dem Datum des Trainings zum Sachverhalt X präzise über X Bescheid weiß, nichts Seriöses aber aus der Zeit davor präsentiert.

  • Tipp 4: Kontrollieren Sie also akribisch alle Texterzeugnisse und sonstigen Ergebnisse Ihres KI Systems. Alle Korrekturen von Fehlern, Ungenauigkeiten und Widersprüchen geben Sie wieder in Ihre Software ein. So steigern Sie die Effizienz Ihres Werkzeugs (nach und nach auch bei differenzierten rechtlichen Aufgaben) und erreichen eine systematische mittelfristige Zeitersparnis durch Ihre eigene Software durch eigenes Wissen und Können.

Tipp 5: Kanzleisoftware mit KI verbinden

Hat Ihre Kanzleisoftware eine API – Schnittstelle (Elektronischer Kommunikationsmechanismus, der den Datenaustausch zwischen zwei Softwaremodulen ermöglicht) ?
Wenn das so ist, können Sie eine KI-Anwendung unmittelbar anschließen, verbinden und durch einen API – Schlüssel überwachen. Große Softwarehersteller haben solche Schnittstellen vermieden (z.B. RA-Micro); sie wollen selbst eine Software verkaufen.

  • Tipp 5: Holen Sie kompetente Hilfe, um Ihre Kanzleisoftware zu verbinden mit einer KI Anwendung.
  • Machen Sie einen klaren Cut; am nächsten Tag ist die neue Software an. Vorher müssen Sie durch Schulungen Vertrauen (auch zur neuen Technik) aufbauen. Vor allem das Prompten (Sprachliche Präzision bei der Eingabe von Aufträgen an die KI) muss ausführlich (“feintuning”) geübt werden.
  • Verwenden Sie – auch schon zum Üben – nur die Kaufversionen der Anwendungen.
  • Hier informiert ein Softwarehaus über die Verbindung von KI Systemen zu bestehender Software mitteln API Schlüsseln.

Tipp 6: Zeit sparen bei Standardaufgaben

Nicht der Anwalt wird durch KI ersetzt, sondern dessen Ärger über die Zeitverschwendung durch administrative und organisatorische, nicht rechtliche Aufgaben.

  • Beispiel 1: Das Erstellen einer Präsentation hat früher vier Stunden gedauert (incl. Sichtung neuer Urteile, Bedienung der Erfahrungswelten der Zuhörer, Folienerstellung in powerpoint, Integration von Logo und C.I., Aussuchen relevanter Stichwörter für die Folien aus bestehenden Textvorlagen sowie Erstellen eines Volltextes für die Zuhörer als Reader etc.)
    Heute dauert das knapp zwei Minuten. Ein Ki gestützter Texteditor kann in Kombination mit einem Präsentationstool wie Gamma aus einer reinen Textgliederung in 2 Sekunden und aus einem bisherigen Volltext in 10 Sekunden eine visuell ansprechende Folie inkl. dazu passender Bilder erstellen.
  • Beispiel 2: Bei Mandaten mit hohem  standardisierbaren Anteil (z.B. Dieselskandal, Anlegermandate, Kasinomandate, Teile des Reiserechts) wird die Entlastung durch KI Systeme jetzt schon bei Schriftsätzen besonders gravierend ausfallen. Eine Kanzlei hat jährlich 30.000 Fälle im Dieselskandal zu bearbeiten und erstellte ihre Schriftsätze – bislang auch schon zeiteffizient – ausschließlich durch Textbausteine, jeden aber bei den sensiblen Daten bislang händisch. Die trainierte, kanzleieigene KI-Software greift nun tausende von Schriftsätzen in wenigen Sekunden auf, wertet sie aus und setzt eigenständig Automarken und alle weiteren (individuellen) Daten in die Texte ein.
  • Hier ist ein Überblick des FFI Verlags über 12 im Alltag erprobte KI – Kanzleisoftwareprodukte
  • Das Anwaltsnetzwerk DIRO bietet diese Aufstellung:

Tipp 7: Die Verwendung von KI muss nicht im Impressum / in den Datenschutzerklärungen Ihrer Webseite stehen

KI-generierte Erzeugnisse haben keinen Urheberrechtsschutz.
Das führt dazu, dass Sie KI-generierte Inhalte (nicht nur) auf Ihrer Webseite verwenden dürfen, sofern die Nutzungsbedingungen des KI-Tools nichts Gegenteiliges festlegen und dabei weder eine Lizenzgebühr zahlen, noch einen Urheber benennen müssen.

  • Tipp 7: VORSICHT: Haftungsfragen, das Risiko von Urheberrechtsverletzungen (z.B. Unternehmenslogo von einer KI erstellen lassen und das ähnelt einem bereits bestehenden Logo) und Verwendung Ihrer Inhalte durch andere sind dadurch nicht ausgeschlossen.
  • Ihre Webseite ist derzeit nicht generell abmahnfähig, wenn der Hinweis auf Ihren Einsatz von KI fehlt (Rechtslage am 20. Oktober 25). Diese Rechtslage kann sich ändern. Checken Sie das immer wieder.
  • Dokumentieren Sie den Einsatz von KI jedoch in der Mandatsvereinbarung und immer auch in der Honorarvereinbarung (s. Tipp 3)
  • Hier ist eine Auflistung der derzeit notwendigen Kennzeichnungspflichten vin KI-generierten Inhalten

Tipp 8: Schwärzen Sie persönliche Daten durch KI – Tools

Bevor Sie Urteile, Ihre Schriftsätze und Schriftsätze der Gegenseite in die KI Anwendung geben (z.B. um sie zu trainieren), müssen Sie alle persönlichen Daten (Namen, Adressen, Geburtsdaten, Aktenzeichen, Firmennamen, Orte etc) schwärzen.
Das gelingt NICHT mittels eines Tools in der Textverarbeitung (auch nicht in PDFs). Alle Schwärzungen dort werden von der KI erkannt; sie “schaut darunter”.

Tipp 8: Verwenden Sie KI gestützte Tools zum Schwärzen Ihrer Dokumente, um sicher alle sensiblen Daten zu schützen, denn

  • nur KI-basierte Tools erkennen und schwärzen sensible Daten sicher (ohne Lücke)
  • Zeitersparnis und Effizienzsteigerung gelingen durch den Einsatz von Lösungen (z.B. Docurex)
  • sie vermeiden Datenschutzverletzungen und hohe Bußgelder durch zuverlässige Schwärzung
  • die KI-gestützten Schwärzung ist einfach in bestehende Arbeitsabläufe integrierbar
  • kanzleispezifische Anforderungen sind einfach zu implementieren.

Tipp 9:  “Shadow AI” – Mitarbeitende brauchen Anleitung und Anweisung

Unter Schatten-KI versteht man die nicht genehmigte Nutzung von Tools oder Anwendungen von KI durch Mitarbeiter. Dazu gehört die unbefugte Nutzung von ChatGPT zur Automatisierung von Aufgaben wie Textbearbeitung und Datenanalyse.
Mitarbeiter greifen häufig auf diese Tools zurück, um die Produktivität zu steigern und Prozesse zu beschleunigen.
Das führt zu  erheblichen Risiken in Bezug auf Datensicherheit, Compliance, Fehlern – und dadurch auch auf den Ruf des Unternehmens.

  • Tipp 9: Mitarbeitende der Kanzlei dürfen Kanzlei-Dokumente nicht durch privat genutzte / kostenlose / firmenfremde Anwendungen bearbeiten lassen.
  • Diese Anweisung ist überlebenswichtig für die Kanzlei und kann nur sehr schwer überprüft werden. Deuten Sie an, dass Verstöße aus Datenschutzgründen zu einer Abmahnung führen.
  • Viele Anwälte und noch mehr Mitarbeitende wssen z.B. nicht, dass alle Dokumente, die z.B. mit “deep seek” bearbeitet werden, in China gespeichert und dort verwendet werden.
  • Klären Sie Mitarbeitende auf über die Folgen privater Nutzung von KI.
  • Appellieren Sie an die Eigenverantwortung.

Hier gibt ein Unternehmen für Datensicherheit  weiteren Tipps:

Tipp 10: Prompten üben!

Prompten ist die schriftliche oder mündliche Anweisung an eine KI.
Ein Teil der Fortbildung Ihrer Mitarbeiter muss das Prompten sein. Dazu nutzen Sie und Ihre MitarbeiterInnen eine besonders gut spezifizierte und quantifizierte Sprache, mit deren Hilfe Sie Ihrem KI System einen Rechercheauftrag erteilen.
Das Ergebnis der KI-generierten Inhalte steht in direktem Verhältnis zur Qualität des Prompts. Das Ergebnis Ihrer Aufforderungen an die KI spiegelt unmittelbar die Präzision Ihrer Sprache.

Tipp 10: Prompten muss konkret sein (“Erstelle eine Präsentation in rotem Rahmen und mit blauer Schrift in power point auf drei Folien…”), einen Kontext haben (“über die Französische Revolution.”), Anforderung quantifizieren (“Beschreibe in 3 Sätzen…”) und spezifizieren (“warum die Auswirkungen der Französischen Revolution bis heute spürbar sind… ) sowie den Blickwinkel klarstellen (“und berichte aus der Perspektive einer europäischen Demokratie”)

  • Beispiel 1: Aus der Aufforderung “Nenne drei aktuelle Urteile zum Umgangsrecht nach der Trennung” wird zu “Nenne in deutscher Sprache drei letztinstanzliche Urteile deutscher Gerichte zum Umgangsrecht in familienrechtlichen Verfahren mit der Gemeinsamkeit, dass die Partner bereits geschieden sind. Antworte aus der Sicht der Anwältin der Ehefrau und bereite eine Strategie der Gegenrede vor.”
  • Beispiel 2: Aus “Erstelle mir einen Fitnessplan für eine Woche” wird “Erstelle mir einen Fitnessplan für eine Woche. Gehe davon aus, dass ich 4 Mal die Woche trainiere. Nutze je Übung 3 Sätze und berücksichtige eine ausgewogene Balance aus Krafttraining und Ausdauertraining.”