Wir sind eine mittelständische Kanzlei und berichten hier über die geplante, gezielte und erfolgreiche Akquise eines ganz bestimmten Mandanten.
Wir haben vor drei Jahren die Akquise eines neuen Mandanten in einem dreitägigen Workshop gelernt und gehen seitdem immer gleich vor.
(Alle hier genannten Namen, Zahlen, Orte, Rechtsgebiete und Branchen sind verfremdet. Der Fall selbst ist real.)
Wir sind eine mittelständische Kanzlei in Potsdam und Berlin mit dem Namen Felsenbaum & Partner. Wir wollen unser Geschäft gezielt um Mandate erweitern, die in unser Portfolio passen. Wir sind spezialisiert auf das Arbeitsrecht und vertreten seit 22 Jahren ausschließlich Unternehmer.
Für uns ist der entscheidende Erfolgsfaktor für die Akquise die Vorbereitung.
Bei jedem BD meeting setzen wir 5-er Teams zusammen, die folgende Fragen recherchieren und nach einem halben Recherchetag präsentieren.
Daraus entwickeln wir – als letzten Punkt des BD meetings – die passende Akquisestrategie und verteilen Aufgaben an alle.
Wir fragen uns immer zuerst: Was kann man realistisch erreichen?
Eine spontane Mandatserteilung durch Telefonate, LinkedIn Kontakte, unsere Vorträge oder unsere Aufsätze ist zwar schon passiert, bleibt aber normalerweise unerreichbar.
Wir glauben noch nicht einmal, dass wir sofort die relevanten Entscheider erreichen oder sofort bei ihnen Begeisterung auslösen.
Wir glauben allerdings, dass wir
Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.
Sympathien und Antipathien entscheiden sich in den ersten 120 Sekunden des ersten Gesprächs. Wir “matchen” deshalb den – mutmaßlichen – Bedarf unseres Targets auf allen Ebenen (rechtlich, organisatorisch, sozial, kommunikativ, stilistisch) und bereiten dieses Erstgespräch akribisch vor.
Beispiele:
Wir haben mit der Fusion unsere Webseite erneuert. Sie ist also 9 Jahre alt. Seit dem ersten englischsprachigen Mandanten gibt es sie auch auf Englisch. Wir haben soeben erst entschieden, die Entwicklung von KI abzuwarten und ab dem nächsten Jahr in SEO mit KI zu investieren. Da wir heute schon von einer stark contentbasierten SEO profitieren, wird der Schritt zur KI basierten SEO wahrscheinlich kleiner sein als anderswo.
Die Kammen GmbH hat vorgestern einer Kontaktaufnahme über LinkedIn zugestimmt. Trotz unserer Referenzbemerkung (über einen Aufsatz von ihnen) haben sie nicht inhaltlich geantwortet. Per Mail erhielten wir die automatische Aufforderung des Portals, uns bei der Kammen GmbH zu melden und in ein Gespräch einzutreten.
Wir wissen in diesem Fall also, dass das Anbahnungsgespräch schriftlich beginnen wird.
Unser Text lautet (3 Tage später, 7.50 Uhr):
“Hallo Herr Barow, danke für Ihre Antwort. Wir haben soeben für unsere mittelständischen Mandanten – speziell aus dem Baugewerbe – die neue Rechtsprechung zur “Scheinselbständigkeit im Internationalen Vertrieb” in einer kurzen to-do-list erklärt. Getreu dem Vorbild der “alten Ägypter, die fertig geschnitzte Steinblöcke zum Standort der Pyramiden geschafft haben”, freuen wir uns, wenn sie Ihnen dient.
Herzliche Grüße, RA Dr. Bernd Bergmann, tel 030 1234567-890
Diese Regeln haben wir bei dieser Kontaktaufnahme beachtet:
1. Strategie
Grundregel: Wir erscheinen niemals interessierter als der zukünftige Kunde. Demut, Empathie und Kalkül heißen unsere Begleiter beim Erstkontakt. Wir melden uns daher nie sofort, sondern lassen 2 – 3 Tage verstreichen – nach dem coolen Motto “We would like to have you but we do not need you.”
2. Perspektive
Spätestens ab jetzt betrachten wir unsere Aktionen ausschließlich aus der Sicht des Targets.
So vermeiden wir, dass wir die Ansprechpartner nerven.
Wir sorgen dafür, dass durch den Kontakt mit uns ihr Nutzen dominanter ist als ihre Störung.
3. Rolle
Wir werden das Mandat nicht bekommen, wenn wir nicht realistisch einschätzen, wer wir sind – und wenn unser Auftritt sich nicht in allem unterscheidet, was der Mitbewerb veranstaltet.
Aus Sicht des Targets ist derzeit alles zweitrangig oder gänzlich unwichtig, was wir tun (oder unterlassen), denn wir
– sind sicher nicht die Einzigen, die sich ungefragt bei der Kammen GmbH melden, um mit ihnen eine Geschäftsbeziehung zu erreichen
– sind derzeit nicht einmal Lieferant, schon gar kein Kunde.
4. Reaktion
Wahrscheinlich haben sich Mitarbeiter von Kammen sofort nach unserer Anfrage unser LinkedIn Profil angesehen und sind auf unsere Webseite gegangen, um sich über uns zu informieren.
Das wäre für uns bereits ein großer Erfolg und geschieht entweder
– aus Gewohnheit
– aus genereller Neugier
– weil sie angewiesen wurden
– weil sie derzeit eine Zweitmeinung einholen möchten
– einen weitergehenden Rechtsberatungsbedarf haben.
5. Letzte Vorbereitungen
Bis zu unserem ersten LinkedIn-Gruß an die Kammen GmbH haben wir noch nichtig viel zu tun:
6. Zeit, Rezeption und Kontakt
Wir melden uns um 7.50 Uhr über LinkedIn. Zu dieser Zeit sind manche MitarbeiterInnen noch zu Hause und lesen dort bereits die elektronische Post. Manche von ihnen sind schon am Arbeitsplatz.
Wir gehen davon aus, dass Mitarbeitende aus HR die Meldungen aus dem LinkedIn Profil vorsortieren . Wir riskieren niemals deren Desinteresse durch allgemeine, lange, Lobhudelnde, appellative oder folgenlose Botschaften.
Zum Thema unseres Aufsatzes wurden unmittebar zu einer Zweitmeinung aufgefordert, in einer bereits angelaufenen Sache mit einem Mitbewerber. Wir rechnen uns durch dieses Intro große Chancen aus, weiter mandatiert zu werden.
Alles begann vor drei Jahren mit diesem dreitägigen Training unserer Akquise-Skills. Bis dahin hatten wir nur auf Anfragen reagiert, nach Tagesform agiert und Akquise wie eine B-Aufgabe behandelt.
“Wenn wir proaktiv am Markt vorgehen wollen, müssen wir alle proaktiv denken,” fasste Nele Felsenbaum den ersten Trainingstag zusammen.
Wir hatten mit unserer Trainerin drei Punkte genau analysiert:
Beeinflussen bzw. manipulieren – das müssen wir alle wollen und können.
“Manipulare” hat dabei etymologisch nichts zu tun mit der – viel später hinzu gekommenen – negativen Konnotation “über den Tisch ziehen”, sondern heißt “etwas geschickt mit der Hand drehen”.
Wir erfuhren in speziellen Kommunikationstrainings, wie wichtig unsere Durchsetzung gegenüber dem Anfrager ist. Seine Einwände sind unser Richtungsgeber in sein Gehirn, in seine Denke, in seine Situation: